Das Geheimnis des Wortes oder: vom Gerede um Sinn
Wann: 15. bis 19. Juli 2024
Wo: Pfarrhof Stockenboi (ehem Kloster mit Bichlkirche)
(Anreise von Feistritz/Drau oder Spittal, bzw. vom Gailtal Richtung Weißensee Ostufer)
Nähere Informationen zu den einzelnen Veranstaltungen siehe Symposium+
Das Geheimnis des Wortes
In einer Begegnung in Sarajevo sprach Dževad Karahasan zu den mitgereisten Jugendlichen emphatisch vom Wort, welches die Grundlage seines Lebens als Dichter sei. In einfachen Worten zeigte er uns eindrucksvoll, wie das Wort zur Begegnung mit Menschen gehört und Anfang der Erfahrung von Glück und Freude ist. Mir hatte er schon zuvor Reichtum und Bedeutsamkeit dieser Stadt erschlossen. Vom Wort ergriffen seien nämlich gleichermaßen Dichter und Leser sowie auch Sprecher und Hörer, und nun gingen wir, von den Büchern inspiriert, in dieser realen Stadt umher und sahen sie mit eigenen Augen.
„Ich habe aufgehört, Gedichte zu schreiben, als mir der Verdacht kam, ich ‚könne‘ jetzt Gedichte schreiben“, sagt Ingeborg Bachmann und scheint von der Wortproduktion zurückzutreten. Ihre Gedichte selbst sprechen vom Ergehen des Wortes, sei es wortwörtlich oder indirekt.
- Nur wer an der goldenen Brücke für die Karfunkelfee
das Wort noch weiß, hat gewonnen
so braucht das erste Gedicht im Band „Anrufung des Großen Bären“, DAS SPIEL IST AUS, das Erste!, ein Losungswort für den Übergang: ein Wort muss gesagt werden, das schon da ist, ein ganz bestimmtes Wort. Womöglich wird das richtige Wort gebraucht für die Initiation am Brückenübergang in die Gedichtwelten. Doch Vorsicht: Im Nu ist es zerronnen mit dem letzten Schnee im Garten, wie die zurückgelassene Kindheit.
Der Schriftsteller sei ganz und gar auf ein Du ausgerichtet, sagt Bachmann in ihrer Dankrede, als ihr der Hörspielpreis der Kriegsblinden überreicht wurde – in der das Wort fällt, die Wahrheit sei dem Menschen zumutbar. Sie spricht von Kraft und Erhebung aus der Dunkelheit der Welt und nennt damit dieses Du: die Rundfunkhörer, die Kriegsblinden.
Als sie den Anton Wildgans-Preis bekommt, sagt sie übers Schreiben: ich existiere nur, wenn ich schreibe … aber niemand kann sehen, was Schreiben ist. Die ein oder zwei Regeln, die sie sich beim Schreiben auferlegt hat, verrät sie nicht, trotzdem erfahren wir: Ein Schriftsteller hat die Phrasen zu vernichten. Und dann erwähnt sie die kristallinischen Worte, die in der Rede nicht vorkommen, aber zuweilen auf einer Seite Prosa oder in einem Gedicht.
Wie ist es mit dem Gebet und seinem Wort? Der alttestamentliche Psalter, Gebetsbuch Israels und der Kirche, mündet ins Hallel, in die wiederholte Gebetsaufforderung: Lobet Gott! Nach den großen und kleinen Anrufungen Gottes und einzelnen Schilderungen von Gebetserfahrungen in den Psalmen schließlich der Imperativ des Gebets. Wenn also Gebet sein soll, was ist nun Gebet? Die großen Gebete des Neuen Testaments beginnen: Meine Seele preist die Größe des Herrn, oder: Gepriesen sei der Herr, oder: Vater unser, geheiligt werde dein Name. Man bemerkt eine große Indirektheit der Sprache, ein Hintasten in eine nicht vom Betenden selbst kommende Sprache, in eine bereits vorhandene Gebetssprache, eine unverfügbare Herkunft des Gebetswortes. Nach dem Opferkult ist nun das Wort Übergang ins Unendliche. Seine Existenz an der Schwelle ist teuer, sie kostet den Dichter die existenzielle Anstrengung, sich ins Unsagbare hinauszuwagen, ohne über ein Können zu verfügen, wenn Bachmann Recht hat; sie kostet den Betenden die Not, aus der er ruft (die existenzielle Auslieferung), und sie kostet Gott das Unabsehbare eines menschlichen Lebens auf Erden, in Raum und Zeit, in Zufälligkeiten und Niedertracht, wie Paulus im Philipperbrief sagt. Das Neue Testament nennt es Paradosis, die Selbstauslieferung. Dann liegt doch im Logos, der Fleisch geworden ist, das Geheimnis des Wortes!
https://www.siegmund-kleinl.at
https://de.wikipedia.org/wiki/Engelbert_Obernosterer
https://www.germ.univie.ac.at/vera-essl/
https://www.youtube.com/watch?v=Jde4abKO0iQ
https://teatrozumbayllu.net/wir/
https://verlag.koenigshausen-neumann.de/autor/bogdanovic-ivana/
https://www.kath-kirche-kaernten.at/personen/27658
https://www.dante-salzburg.at/kultur/fausto-tuscano-peter-deibler/